animago 2017 Best Short Afterwork

Bester Kurzfilm 2017: „Afterwork“ Making-of

Was wäre, wenn Cartoonfiguren ihren Job als ganz normale Arbeitnehmer ausüben und unter der alltäglichen Routine genauso leiden würden wie wir? Der Kurzfilm „Afterwork“ verfolgt diesen Gedankengang und erhielt damit 2017 den animago AWARD für den besten Kurzfilm.

Das Privatprojekt war das bislang ambitionierteste in der 12-jährigen Firmengeschichte von Matte CG aus Quito, Ecuador. Grund für das hohe Engagement in eigener Sache war Regisseur Luis Usons Obsession für die Hanna-Barbera Produktionen und die Trickfilmserien von Warner Bros.: „Als ich ein Kind war, habe ich jedes Wochenende direkt nach dem Mittagessen die Looney Tunes Show geschaut. Am liebsten sah ich Wile E. Coyotes Jagd nach dem Road Runner, bei der er jedes Mal scheiterte. Auch Elmer Fudd und Bugs Bunny sowie Tom und Jerry mochte ich sehr, auch wenn sie keinen so ‚erwachsenen‘ Stil hatten wie die Warner-Filme. Ich fühlte sehr mit den Verlierern mit, die jedes Mal versagten, aber niemals aufgaben. Ich hätte es ihnen gegönnt, einmal ein Erfolgserlebnis zu haben“, erinnert sich Luis Uson.

Harter Lohnerwerb

Ein zweiter Inspirationspunkt waren Luis eigenen Erfahrungen aus dem Arbeitsleben vor seiner Zeit als Animationsartist, als schlecht bezahlte und monotone Lohnerwerbstätigkeiten seinen Alltag bestimmten: Er war Call-Center-Agent, entlud als Bauarbeiter Lieferwagen oder etikettierte Hunderte Artikel in einem Dekorationsladen. Keiner dieser Jobs dauerte mehr als ein paar Monate, aber sie hinterließen einen so großen Eindruck auf Luis, dass er diese beiden Einflüsse eines Tages zu dem Projekt „Afterwork“ vereinte.

Vorbilder und Referenzen für den Stil und den Look des Films waren Robert Crumbs Loser-Cartoons sowie das Musikvideo zu „Da Funk“ von Daft Punk. Hinsichtlich der Characterentwicklung des Hasens stand „Der Machinist“ von Brad Anderson Pate, in diesem findet ein Mann (Christian Bale) aufgrund seiner Schuldgefühle ein Jahr lang keinen Schlaf.

Projektverlauf

Alles begann Ende 2014 mit der Zeichnung eines verbitterten blauen Hasens, die Luis Uson seinem Arbeitskollegen Andres Aguilar zeigte. Ab da feilte das Team mit ZBrush an den Konzepten des Modells. Erst im März 2015 startete das Team in die eigentliche Produktion, welche mehr als 2 Jahre dauern sollte. Der Grund für die lange Konzeption des Characters war die ungewöhnliche Herangehensweise, den Hauptcharacter zu designen bevor die Geschichte des Films fertig konzipiert war, stattdessen entwickelte sich die Story parallel zur Ausarbeitung des Characters.

Afterwork Concept

Hinzu kam, dass das Team sich um „Afterwok“ nur in den wenigen freien Phasen zwischen kommerziellen Projekten kümmern konnte. Um das hohe Arbeitspensum zu stemmen, kooperierten die Artists mit Uson Studio aus A Coruña in Spanien, die viel Animationsarbeit übernahmen, und Apus Estudios aus Lima in Peru, die für die 2D-Sequenz verantwortlich zeichneten. So wuchs das beteiligte Artist-Team kontinuierlich im Laufe des Prozesses zu 24 Mann an, die auf dem ganzen Globus verteilt an dem Projekt arbeiteten.

Wohnungsbau

In der ersten Phase des Projektverlaufs half Apus Estudios beim Erstellen der 2D-Animatics, wobei rund 40 Versionsvarianten zusammenkamen. Viel Aufwand in diesen Bearbeitungsschritt zu stecken war unbedingt nötig, da der Animatic die essenzielle Grundlage für den Dreh war. Denn um die Produktionskosten möglichst gering zu halten, entschied das Team den 3D-Hasencharacter in real gefilmte Backgrounds zu setzen. Das Team baute die realen Setkulissen des Wohnungsinneres in alten Lagerhallen außerhalb von A Coruña auf. Gefilmt wurde statisch mit einer RED Scarlet 4K-Kamera, damit in der Postproduktion kein Kameratracking nötig war und die Integration des CG-Materials in die realen Backgrounds leichter fiel. Alle Shots wurden einmal mit und einmal ohne Schauspieler gedreht.

Nachdreh mit 3D-Set

Danach kreierte Luis mit Tools wie Grease Pencil eine 2D-Basisanimation für die 3D-Kamera, was dem Team eine enorm gute Referenzhilfe für den Ablauf und den Animationsstil an die Hand gab. Die 3D-Animation wurde mit Maya fertiggestellt, das Lighting und der Rest der Postproduktion liefen im Anschluss wie von anderen Produktionen gewohnt. Nachdem das Team ein Jahr in realen Kulissen gedreht hatte, benötigte die Geschichte im Nachhinein eine Extra-Sequenz, die ursprünglich nicht geplant war, aber dafür sorgte, den Hasenprotagonisten besser zu verstehen. Für diese Szenen baute das Team die Wohnungskulisse in 3D nach und fügten dem Film 30 neue Shots hinzu.

Challenges

Herausfordernd war bei dem Projekt vor allem die Kombination der verschiedenen Techniken, denn alle Life-Action- und CGI-Elemente sowie 2D-Animationen mussten auf der gleich hohen Qualität produziert sein, um den Film konsistent wirken zu lassen. Auf der künstlerischen Seite war kompliziert, den Films mit seiner anspruchsvollen Story, die auf verschiedenen Ebenen gelesen werden kann, so zu gestalten, dass der Betrachter zum Nachdenken über Einsamkeit, den Job und die Beziehung zwischen Realität und Fiktion gebracht wird.

Eines der wichtigsten Elemente für die Wirkung des Films war der Soundtrack. Für die zentrale Sequenz produzierten Manuel Riveiro (Knock Knock, Green Inferno) und Txabi Mira einen Song, bei dem Sie vor der großen Herausforderung standen, Lou Reeds Song „Perfect Day“ zu ersetzen, denn diesen legendären Song hatte das Team für den Animatic benutzt.

Mehr Cartoonfiguren am Limit

Dank des vielen positiven Feedbacks, welches der Kurzfilm erfuhr, kann das Team nun ein größeres Vorhaben verfolgen, das schon seit Beginn des Projektes im Raum steht: Das Universum von „Afterwork“ erweitern und eine Welt zeigen, in der Cartoonfiguren Seite an Seite mit Menschen leben und unter den gleichen gesellschaftlichen Problemen leiden wie sie: Schlechte Jobs, Krankheiten, Armut, Süchte und fehlende Liebe. Das Team betrachtet „Afterwork“ deshalb nicht nur als Kurzfilm, sondern als die ersten sechs Minuten eines ambitionierten Feature-Films mit dem Titel „Aftertoons“.

(Mirja Fürst)