Bester Character 2017: „Poilus“

Das Studententeam der Isart Digital setzte für seinen Abschlussfilm „Poilus“ Hasen-Charactere in ein realistisch inszeniertes Kriegsszenario und gewann damit im letzten Jahr die Trophäe in der Kategorie „Bester Character“.

Poilu – so wurde umgangssprachlich ein französischer Frontsoldaten im Ersten Weltkrieg bezeichnet. Die gleichnamige Soldaten-Truppe wartet auf die bevorstehende Schlacht. Zum Zeitvertreib spielt Ferdinand die Mundharmonika. Als der Kommandant zum Angriff pfeift, stürmt er los, stolpert und fällt hin. Er findet sich plötzlich im No Man’s Land wieder, wo er sich einer schrecklichen Kreatur stellen muss.

Die Szenerie soll an die Filmszene von „Joyeux Noel“ erinnern, in der deutsche und französische Soldaten am Heiligen Abend das Feuer einstellten. Die Kampfszenen wurden von Stanley Kubricks „Path of Glory“ oder „Full Metal Jacket“ inspiriert. Insgesamt arbeitete das sechsköpfige Team, das sich später für das Sound- und Musikdesign mit sechs weiteren Studenten zusammenschloss, rund 1,5 Jahre an dem Projekt.

Angst-Metapher

Als Protagonisten wählten die Studenten Hasen, weil das niedliche Fluchtier die perfekte Metapher für die Soldaten auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges ist: unerfahren. ängstlich und als Individuen nicht unterscheidbar in ihren Uniformen. Anstatt selber Gewehre zu tragen, laufen sie lieber vor Jägern weg, so wie es Ferdinand im No Man’s Land tut. „Es war im ersten Schritt zwingend notwendig, den Zuschauer in eine stressige Situation zu katapultieren. Deshalb wollten wir eine glaubwürdige Darstellung des ersten Weltkrieges mit realistischen Looks und einer übertriebenen Lichtatmosphäre erschaffen“, so das ambitionierte Ziel des Teams.

Ferdis Werden

Ferdi wurde mit Maya gemodelt. Wichtig waren dabei die Optimierung der Meshdichte sowie die zukünftigen Animationsbedürfnisse vorausschauend zu bedenken. Dank der Maya Reference Tools konnten die Artists an den Uniformen, den Accessoires, dem Fell und dem Texturing arbeiten, während das Setup lief oder das Modeling geupdatet wurde. Für das Texturing und das Look Development kamen Mari, 3D Coat oder der Substance Painter zum Einsatz, je nachdem, welches Tool dem jeweiligen Teammitglied vertraut war.

Zunächst wollten die Studenten die Xgen-Technologie für das Hasenfell verwenden. Dabei kam es aber zu zahlreichen Komplikationen, vor allem im Zusammenspiel mit dem Guerilla Renderer. Über ein Verfahren, das Kompatibilitätsprobleme löst, erlaubt Guerilla zwar die Erstellung von Pelz, aber das Ergebnis erfüllte nicht die Erwartungen. Das Yeti-Plug-in dagegen schon. Das Team duplizierte für das Fell Ferdis Face Mesh für eine Art Skalp, welches die Guiding Curves und die Plug-in-Informationen in Maya transportierte. Danach wurde dieser mithilfe von Warping und Skinning auf den Kopf gesetzt, sodass er den Gesichtsbewegungen und der Mimik folgte.

Da es galt, eine lange Berechnungszeit und einen großen Cache-Speicher zu handeln, kombinierten die Studenten beide Methoden: „Für Close-ups oder Shots mit vielen Details haben wir das mit Yeti generierte Fell aktiviert und in anderen Shots stattdessen das prozedurale aus Guerilla eingesetzt.“

Hasen in Uniform

Damit die Bewegung der Uniformen über dem Fell realistisch wirkt, war Simulation nötig. Nach Tests mit den Maya nCloth Solvers und Deformers überzeugte letztendlich der Marvelous Designer, weil er das Anfertigen von Kleidungsstücken aus 2D-Schnittmustern ermöglicht. Hierbei kam es zu den gleichen Berechnungsproblemen wie beim Fell, was das Team auf die gleiche Weise löste: Marvelous kam nur bei kritischen Shots für die Kleidung zum Einsatz. Für Shots mit zahlreichen Hasen in der Szenerie nutzten die Studenten eine statische Pose der Simulation als Basis-Uniform-Modell, welches auf das Body-Mesh geskinnt wurde. So ließ sich zwischen der simulierten Kleidung mit vielen Details und der geskinnten Version switchen.

Ferdi, das Main-Modell, wurde für die anderen Hasen-Charactere in der Armee dupliziert. Der naheliegende Vorteil davon war natürlich die Arbeitsersparnis, gleichzeitig sorgte es für eine verwirrende Ähnlichkeit zwischen den Soldaten. Für etwas Varietät in der Klonen-Truppe veränderten die Studenten die Farbe der Felltextur leicht. Für die deutschen Soldaten wurde eine zweite Uniform gebaut.

Kriegslandschaft

Der komplette Film spielt in ein- und derselben Landschaft. Den Boden generierte das Team mit World Machine Software, die Textur-Maps entstanden durch zahlreiche Photo- und Scan-Ressourcen, die eine Menge Details enthielten. Mithilfe von Mudbox und ZBrush formten die Artists die Oberfläche der Landschaft, danach wurde der Boden in verschiedene Abschnitte unterteilt, korrespondierend zu den jeweiligen Szenen. Jedes Gebiet wurde mit Props ausgestattet, die das Team per Hand modellierte. „Den Bedürfnissen des Storyboards gemäß, setzten wir Orientierungspunkte mit Basis-Geometrie-Formen, bevor wir die endgültigen Objekte importierten. Mithilfe von Instancing füllten wir den Hintergrund mit ähnlichen Objekten“, ergänzen die Studenten.

Guerilla-Challenges

Neben den Fell- und Ankleideproblemen stellte die Realisation einer humanoiden Hasen-Armee mit fotorealistischem Anspruch eine große Material-Challenge dar. Die bescheidene, von der Hochschule geliehene Renderfarm, half beim Bewältigen der über 12.500 Renderstunden. Ein generelles Problem war das Finden eines effizienten Workflows mit dem Guerilla Renderer. Der Umgang mit der Software war neu für das Team und bei Projektstart lag kaum Dokumentationsmaterial vor. So traten bei so gut wie allen Rendering-Schritten Schwierigkeiten auf, was zugleich auch sehr lehrreich war. Guerilla erlaubt das Arbeiten mit referenzierten Objekten, sodass sich jedes Element simultan erstellen und im finalen Projekt für das Lighting und Rendering zusammenstellen ließ. Im Prozessverlauf entwickelte das Team „ready-to-use“ Templates mit sauberen Szenen. „Dieser Workflow hat sich sehr bewährt“, erinnert sich das Team.

(Mirja Fürst)

„Poilus“ Breakdown